... aktiv am Warnemünder Leuchtturm

Die Silberhochzeit von Atze Marnau und seiner Frau Renate fand schon l 985 statt. In das Jahr 201 8 fällt symbolisch gesehen eine weitere Verbindung, die jetzt ohne Trauschein, ebenfalls 25 Jahre wahrt und auch von emotionaler Tiefe geprägt ist: Atze Marnau ist bereits 25 Jahre als Leuchtturmmann im gleichnamigen Verein und am Turm tätig. "In diesem Jahr will ich aus dem aktiven Einsatz ausscheiden", kündigt der 82-Jährige an. Die Arbeit am Turm ist für ihn mehr als nur ein Ehrenamt. "Es ist sehr schön, mit interessierten Menschen über das Wahrzeichen Warnemündes, seine Funktion, die Geschichte und die Seefahrt zu schnacken", erzählt uns der Leuchtturmmann. Und er zählen tut er alles ungeschönt. Marnau ist nämlich kein Nach-dem-Mund-Redner, er sagt Dinge so, wie er sie sieht. "Wir haben ja das Glück, dass wir uns nicht an städtische Normen halten müssen", nennt Atze, der eigentlich Heinz-Jürgen Marnau heißt, einen entscheidenden Vorteil. Unter seinem Vornamen Heinz Jürgen kennt ihn kaum noch jemand. "In der Lehre hatten wir so viele mit den Vornamen Heinz und Jürgen und da hat einer der Lehrlingskollegen in berlinerisch bestimmt: ,Und dir nennen wir Atze!'" Nach anfänglichem Protest ist es dann dabei geblieben.

Atze Marnau ist der Seefahrt sehr verbunden. Er fuhr viele Jahre als Schiffsingenieur zur See. Auch sein Vater Wilhelm Marnau war Schiffsführer auf der Eisenbahnfahre in Danzig. "Nach Kriegsende wurde es ihm zum Verhängnis, dass er seine Eisenbahneruniform trug und für einen hohen Nazi gehalten wurde", erzählt Atze, der seinen Vater nie wieder gesehen hat. Auch sein Opa und ein Onkel waren Binnenschiffer und so ist es nicht verwunderlich, dass die Sehnsucht nach der Seefahrt auch in Atzes Genen schlummerte. Mit seiner patenten Mutter und den Geschwistern ist er nach der Flucht in Flau aufgewachsen. Danach begann er seinen beruflichen Werdegang auf der Warnowwerft mit einer Lehre als Maschinenschlosser. Mit Gründung der Deutschen Seereederei (DSR) und Indienststellung des Dampfers Wismar l954 begann er dort als Kohletrimmer, ein harter Job, wo man in den Kesselanlagen bis zum Hals im Dreck steckte. "Mir ist keine Drecksarbeit zu sauer geworden", erinnert sich Marnau, der sich später ständig weiter qualifizierte und Ausbildung für Ausbildung absolvierte und lange Zeit auch als technischer Inspektor in der Chefinspektion der DSR den automatisierten Schiffsbetrieb mit auf den Weg brachte.

Mit 57 Jahren erging es ihm wie vielen anderen nach der Wende: Er musste seinen Job an einen Nachfolger übergeben. Kurz war er noch in einer schwedischen Firma beschäftigt und dann kam das wirkliche berufliche Ende. "Durch einen Gartenfreund habe ich davon Wind bekommen, dass der Leuchtturmverein gegründet wird und mich gemeldet." Diese Gründung war ein großer Verdienst des Ehrenvorsitzenden Gerhard Lau. "Er und andere machten es möglich, dass wir überhaupt anfangen konnten und der Turm wieder für die Öffentlichkeit zugänglich wurde", erinnert er sich.

In diese 25 Jahre sind für ihn großartige Ereignisse gefallen: Die Wiederinstandsetzung des Schmuckrings zum Beispiel, für die der Verein die Steine aus den Eintrittsgeldern bezahlt hat. Der Leuchtturmverein Warnemünde ist nämlich ein Verein, der durch Ehrenamt Geld erwirtschaftet und es für soziale, kulturelle, denkmaipflegerische und sportliche Zwecke ausgibt. "Für viele sind wir deshalb auch der, Goldesel von Warnemünde'", beschreibt Marnau. Die Männer arbeiten in der Regel vier Stunden pro Tag am Turm, es gibt Früh- und Spätschichten. "Wir können es nicht hoch genug anerkennen, wie unsere Frauen und Familien das alles mittragen." Atze Marnau ist auch ein Familienmensch und hat neben den Töchtern noch fünf Enkel und sieben Urenkel. Und er liebt Kinder. Wer tapfer den Turm bestiegen hat, der bekommt von ihm und den anderen Leuchtturmmännern schon mal einen "Sommer" geschenkt. Auch die Zusammenarbeit mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) findet er hervorragend. Das WSA hat dafür gesorgt, dass die Männer den Raum in der Bodenstation und einen Umkleideraum erhalten.

Das Zusammenspiel der Leuchtturmmänner beschreibt er ein wenig wie Haken und Ösen die ineinandergreifen. Und unter den Männern sind auch Freundschaften entstanden - kameradschaftlich verbunden fühlen sich die meisten. Wenn Atze Marnau in den Leuchtturm-Ruhestand geht, dann will er in Ehren und mit Handschlag aus dem aktiven Dienst gehen. Seine "Uniform" würde er gern behalten, damit er auch weiter beim Niegen Umgang in den Reihen der Leuchtturmmänner marschieren kann. Er hat großartige Gespräche und Erlebnisse gehabt. Aber er hat auch eine der dunkelsten Stunden am Turm erlebt: als 2014 eine 68-jährige Warnemünderin mit einem Sprung von der zweiten Galerie ihr Leben beendete. Das hat die sonst so couragierten Männer sehr mitgenommen und bewegt.

Atze Marnau hat das Gefühl, dass der Zeitpunkt für einen neuen Lebensabschnitt gekommen ist. Geht er diesen Schritt jetzt nicht, wird er viele Zukunftspläne nicht mehr realisieren können. Religionsgeschichte interessiert ihn, er liest gerade den Koran, er ist Mitglied im Verein der Schiffsingenieure. Außerdem publiziert der Hobbyhistoriker in einer Schriftenreihe Erinnerungen aus seinem Berufs- und Bordleben. Und dann arbeitet er auch noch an einer Familienbiografie. "Zu Hause rumzusitzen, um dann zu vergreisen, das will ich nicht", sagt der rüstige Ruheständler und fügt augenzwinkernd hinzu: "Das Privileg eines Rentners ist, dass man Dinge nicht mehr tun muss, wenn man es nicht mehr will." Leicht fällt ihm der Abschied dennoch nicht. Wehmut ist dabei. Aber so ein Dienstjubiläum ist ein würdiger Anlass für den Schritt. Und eines steht schon heute fest: Er wird sicher ab und an zum Turm und zu seinen Männern kommen, die mit ihrem Tun dazu beigetragen haben, dass der Leuchtturmverein ein hohes Ansehen genießt. Daran hat auch Atze Marnau einen hohen Anteil.

Atze Marnau

Atze Marnau ist seit 25 Jahren aktiver Leuchtturmmann.
Im Oktober wird er seien Dienst quittieren.

aus "Der Warnemünder" Ausgabe 3/2018



Dipl.-Ing. Ralf Griffel / webmaster@vsir.de / 30.08.2018